Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz oder: Die Never-Ending-Story der Pflegefinanzierung

Beitrag von Tessa Fleckenstein und Lasse Wissmann (13.07.2022)

Pflege ist wichtig – darauf können sich wohl alle einigen. Es droht der Pflegemangel – auch das scheint allen klar. Die Pflege muss gestärkt werden – auf diese Zauberformel kann sich jeder verständigen. Wie aber?

Eine Grundfrage ist und bleibt die Pflegefinanzierung. Was sicherlich gut gemeint war, entpuppt sich (nicht unerwartet) immer mehr als Bürokratie-Monster, das an den Verhandlungstischen der Republik versackt. Die Rede ist natürlich vom Pflegebudget. Immer noch haben rund die Hälfte der deutschen Krankenhäuser kein Pflegebudget verhandelt. Etliche sind noch nicht einmal im Verhandlungsprozess angekommen. Eine nicht enden wollende Kaskade von Verhandlungsrunden, Nachweisführungen und Uneinigkeit lässt die Pflegefinanzierungsreform im Sande verlaufen.

 

Die Doppelfinanzierung im DRG-System und die Rückkehr des „sonstigen Personals“

Und nun rückt die Pflegefinanzierung erneut ins Rampenlicht: Getrieben von der milliardenschweren Finanzierungslücke in den Kassen der Kostenträger entwirft das Gesundheitsministerium unter Leitung von Gesundheitsminister Lauterbach das „GKV-Finanzstabilisierungsgesetz“. Dabei bringt Lauterbach zwei zentrale Punkte ins Spiel, die den Kostendruck auf die Pflege in deutschen Krankenhäusern weiter erhöhen werden. Er sprach bei der Vorstellung des Gesetzesentwurf von einem „nicht-bereinigten Betrag in den Fallpauschalen“ (Pressekonferenz vom 28. Juni 2022).

Bereits in den letzten beiden Jahren gab es erhebliche Unstimmigkeiten zwischen Kostenträgern und Krankenhäusern im Hinblick auf diesen Vorwurf der Doppelfinanzierung: Während der GKV-Spitzenverband eine Doppelfinanzierung von 700 Millionen Euro sah und den Krankenhäusern zum Teil mutwillige Umbuchungen von Personalkosten in die vom Pflegebudget refinanzierten Bereiche vorwarf, wies die Deutsche Krankenhausgesellschaft diese Vorwürfe stets als unbegründet zurück. Bereits zuletzt hatte das Bundesministerium für Gesundheit das InEK angewiesen, die DRG-Finanzierung für 2022 um 175 Millionen Euro zu senken, um eine Doppelfinanzierung zu verhindern. Durch eine weitere Senkung der Finanzierung könnten den Krankenhäusern also Erlösverluste von bis zu 500 Millionen Euro drohen.

Der Entwurf des GKV-Stabilisierungsgesetzes rückt das sogenannte „sonstige Personal“ in den Fokus. Der Begriff umschreibt diejenigen Mitarbeitenden, die zwar keine Pflegeausbildung haben (z. B. PhysiotherapeutInnen, ErgotherapeutInnen oder Hebammen), aber dennoch direkt in der Patientenversorgung (am Bett) tätig sind. Diese Mitarbeitenden – laut DKG etwa 20.000 – sollen künftig kein Teil des Pflegebudgets mehr sein, da sie – wie die Kostenträger argumentieren – bereits über die Fallpauschalen refinanziert seien. Es geht also nicht mehr um die Tätigkeit, sondern um die Qualifikation der Mitarbeitenden. Dies ist bereits seit Einführung des Pflegebudgets einer der zentralen Knackpunkte in den Verhandlungen zwischen Krankenhäusern und Kostenträgern. Während in manchen Krankenhäusern dieses Personal ohnehin nicht durch ein vereinbartes Pflegebudget refinanziert wurde, würde das Pflegebudget anderer Einrichtungen durch den Entwurf deutlich schrumpfen. In der Praxis bedeutet der Entwurf, dass viele Aufgaben des sonstigen Personals entweder durch (nicht vorhandene) Pflegekräfte übernommen, teilweise eingespart oder durch andere Bereiche querfinanziert werden müssten. In Zeiten des Pflegepersonalmangels und der eklatanten wirtschaftlichen Schieflage deutscher Krankenhäuser für viele Einrichtungen eine deutliche Erhöhung des Kostendrucks – dort, wo für die letzten Jahre noch kein Pflegebudget vereinbart wurde, vielleicht sogar rückwirkend.

 

Was können Krankenhäuser tun?

Die großen Baustellen im deutschen Gesundheitswesen, die Schwierigkeiten der Pandemiebewältigung und die (wirtschaftlichen und menschlichen) Folgen der letzten 2,5 Jahre hinterlassen ihre Spuren. Die Unwägbarkeiten der Pflegefinanzierung leisten ihren Beitrag zur Unsicherheit in deutschen Krankenhäusern und lassen die Frage aufkommen: Was tun?

Die klammen öffentlichen Haushalte und der spürbare Einfluss der Kostenträger auf die Gesetzgebungsentwürfe lassen eine signifikante Verbesserung der Finanzierung im Vergleich zum Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes nicht erhoffen. Klar ist: Der Kostendruck wird steigen, das in der „Pflege am Bett“ eingesetzte Personal in deutschen Krankenhäusern wird weniger werden.

Krankenhäuser müssen Effizienzreserven in den Prozessen heben, um zukunftsfähig zu bleiben. Dies kann nur noch gelingen, indem Abläufe effizient, mitarbeiter- und patientenorientiert sowie digital abgebildet werden. Viele Krankenhäuser sind dabei schon auf einem guten Weg, andere arbeiten mit Informationslücken, insbesondere zwischen den Berufsgruppen, (papierbasierter) Doppeldokumentation und den unerkannten Chancen eines verlässlichen, allen transparenten Ablaufs.

Viele Krankenhäuser sehen Flexibilität und Spontanität als Ihre größte Stärke an. Wir verstehen es als Kryptonit, ein unerkanntes Schwarzes Loch im Denken von Krankenhausstrukturen. Egal ob beim Thema Patientenorientierung und -sicherheit, beim Thema Personalgewinnung und -zufriedenheit oder beim Thema Lösungsfindung auf neue gesetzgeberische Herausforderungen. Nur wer auf einem stabilen, verlässlichen, digitalen und berufsgruppenübergreifenden Fundament aufbaut, kann solche Erschütterungen überstehen. 

Wenn Sie also aktuell das Gefühl haben, Flexibilität sei die größte Stärke Ihrer Prozesse und spontanes Reagieren in allen Alltagssituationen notwendig, freuen wir uns auf den Austausch, um Sie vom exakten Gegenteil zu überzeugen.

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