Wenn der Arbeitgeber seinen Führungskräften hilft – ein Praxisbericht

„Mitarbeiter kommen zu Unternehmen. Mitarbeiter verlassen Vorgesetzte.“ Auf diese kurze Formel lässt sich die Motivation von beruflichen Veränderungen häufig zusammenfassen. Während auf der einen Seite eine Vielzahl von Aspekten des Unternehmens dazu führt, dass sich Menschen für den Arbeitgeber interessieren und dann auch entscheiden, ist es oftmals in erster Linie der unmittelbare Vorgesetzte, der eine Umorientierung von Beschäftigten begründet.

 

Diese Erkenntnis ist natürlich nicht neu. Und viele Kliniken nehmen daher das Führungsverhalten ihrer Führungskräfte in den Fokus. Sei es durch strukturierte Führungskräfteentwicklungsprogramme, Fortbildungen im Bereich Führung oder gezielte Mitarbeiterbefragungen zu diesem Themengebiet. Sicherlich alles sinnvolle Aktivitäten.

Ein niedrigschwelliges Format: Führungskräfteforum

Ein Kunde kam mit dem Wunsch auf uns zu, ein sehr niedrigschwelliges Angebot als Unterstützung für seine Führungskräfte zu konzipieren. Es sollte ausdrücklich nicht viel Zeit binden, keinen verpflichtenden Charakter haben und auch nicht in Maßnahmenlisten münden. Zentrales Element sollte die individuelle Auseinandersetzung mit dem eigenen Führungsverhalten sein.

Gemeinsam mit unserem Auftraggeber haben wir ein solches Format entwickelt und mittlerweile auch schon dreimal durchgeführt.

Der Name des Formats lautet „Führungskräfteforum“. Forum ist laut Wikipedia im kulturellen Sinne definiert als ein Ort, an dem Meinungen ausgetauscht und Fragen gestellt werden können. Damit trifft der gewählte Titel sehr treffend die Intention der Veranstaltung. Führungskräfte sollen sich unabhängig von ihrer Ansiedelung in der Hierarchie und unabhängig vom Klinikbereich allein in ihrer Rolle als Führungskraft begegnen, sich austauschen und am Ende hoffentlich mit ein paar neuen Erkenntnissen ihr Führungsverhalten anreichern. Nebenbei entsteht durch das bessere Kennenlernen auch ein Führungskräftenetzwerk, das informell für Hilfestellungen und Austausch jederzeit genutzt werden kann.

Die Führungskräfteforen finden drei Mal im Jahr von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr statt und werden durch einen ZEQ-Berater moderiert. Kaffee und Kuchen sowie Kaltgetränke und Fingerfood, die es bei ähnlichen größeren Veranstaltungen wie Mitarbeiterversammlungen üblicherweise in der Klinik nicht gibt, sorgen für eine Atmosphäre, die den Teilnehmern zeigt, dass die Geschäftsführung der Veranstaltung einen hohen Stellenwert beimisst und sie die Teilnehmer wertschätzt. Die Teilnahme ist freiwillig – die Einladung erfolgt schriftlich und persönlich an jede Führungskraft durch die Geschäftsführung.

Die Veranstaltungen beginnen mit einer kurzen Begrüßung durch die Geschäftsführung und folgen anschließend dem in nachfolgender Abbildung dargestellten Moderationsschema.

Warm-up

Der Warm-up hat das Ziel, die Teilnehmer gedanklich in den Raum und in das Thema zu bringen. Themen, die die Teilnehmer unmittelbar vor dem Forum beschäftigt haben, sollen möglichst vollständig aus der aktuellen Gedankenwelt geraten.

Die Ziele des Warm-ups werden meiner Erfahrung nach am besten erreicht, wenn die Teilnehmer in Bewegung und in einem „gelenkten“ Austausch miteinander sind. Daher ist es wichtig, dass der Raum ausreichend Bewegungsfläche bietet. Als Format bieten sich Soziometrien an, bei denen die Teilnehmer ihre Positionen mittels ihres Standortes im Raum zum Ausdruck bringen. So kann beispielsweise die Frage nach der Herkunft durch eine virtuelle Landkarte beantwortet werden, in dem ein Bezugspunkt im Norden und ein Bezugspunkt im Süden im Raum gekennzeichnet wird und die Teilnehmer sich mittels gegenseitigem Austausch auf dieser virtuellen Landkarte orientieren und dann platzieren. Die abgefragten Items sollten zunächst sehr allgemeiner Natur sein, sich dann aber immer mehr dem Themenfeld „Führung“ nähern. So bewirkt beispielsweise die Abfrage der Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Anzahl der unterstellten Mitarbeitenden langsam eine solche Annährung. Die ausgelegten Bezugspunkte im Raum sind in diesem Fall dann „kurz“ und „lang“ bzw. „wenig“ und „viele“.

Der Warm-up hat eine sehr große Bedeutung für den Erfolg der Veranstaltung. Von daher sollte man für ihn ausreichend Zeit einplanen. 30 Minuten sind meiner Erfahrung nach mindestens dafür vorzusehen, da die Teilnehmer sich in der Regel sehr schnell auf die Fragen einlassen und auch sehr schnell in einen Austausch kommen. Denn oftmals kennen sich die Führungskräfte einer Klinik über die Fachabteilungen oder auch die Berufsgruppen hinweg fast oder auch überhaupt nicht.

Hinführung zum Thema

Losgelöst vom konkreten Hauptthema ist das Generalthema der Veranstaltung „Führung“. Insofern kann der Übergang vom Warm-up zur Hinführung zum Thema fließend gestaltet werden. Ein dafür sehr gut geeignetes Format ist das „Speeddating“. Auch wenn es nicht um das Finden eines Lebenspartners geht, resultiert daraus ein Kennenlernen der anderen Teilnehmer. Beim Speeddating bilden jeweils zehn bis vierzehn Teilnehmer eine Gruppe, die sich symmetrisch gegenübersitzen. So entstehen fünf bis sieben Paare, die die Aufgabe haben, die durch den Moderator benannten Fragen miteinander zu diskutieren. Der „Speed“ entsteht dadurch, dass die Teilnehmer nach zwei Minuten einen Stuhl im Uhrzeigersinn weiterrücken und sich dadurch neue Paarungen bilden. So wird die gleiche Fragestellung so lange im Zwei-Minuten-Takt mit immer neuen Gesprächspartnern diskutiert, bis wieder die Ausgangsposition erreicht ist. Beispiele für zu diskutierende Fragen können sein:

  • Wenn ich an mein Führungsverhalten denke – welche Dinge gelingen mir gut / gelingen mir weniger gut?
  • Worin sehe ich meine Stärken als Führungskraft? Worin meine Schwächen?
  • Welche Führungssituation habe ich so gelöst, dass ich heute noch darauf stolz bin?

Bei zehn Teilnehmern pro Gruppe entstehen fünf Zweier-Paarungen. Bei zwei Minuten pro Durchgang werden demnach zehn Minuten pro Frage benötigt, zuzüglich einer kurzen Wechselzeit. Demnach müssen für das Speeddating mindestens 35 Minuten eingeplant werden.

Je nach Länge der Begrüßung durch die Geschäftsführung sind bis zu diesem Zeitpunkt also bereits rund 70 Minuten vergangen. Bezogen auf die Gesamtlänge von 180 Minuten kann zu diesem Zeitpunkt bereits eine Pause geplant werden. Diese sollte ebenfalls nicht zu kurz kalkuliert werden, da durch den Warm-up und die Hinführung zum Thema bereits viele Impulse für einen gegenseitigen Austausch gegeben wurden. 30 Minuten sind meiner Erfahrung nach als Pausenlänge zu empfehlen. Somit stehen im Anschluss an die Pause noch rund 80 Minuten zur Verfügung.

Inhaltliche Bearbeitung des Hauptthemas

Hauptthemen im Zusammenhang mit Führung bieten sich in einer großen Vielfalt an. So können beispielsweise einzelne Aspekte des Leitbilds der Klinik mit Bezug zum Thema Führung oder einzelne daraus abgeleitete Führungsgrundsätze ein geeignetes Hauptthema für die Veranstaltung sein. Erwartungen an das Führungsverhalten von Vorgesetzten und Mitarbeitenden bilden ebenfalls eine sehr gute Diskussionsgrundlage. Zumal sich dabei auch herausstellt, dass jede Führungskraft sich in einer Sandwichposition befindet, einschließlich der Geschäftsführung. Häufig begegnet mir, dass Führungskräfte auf Grund einger schwer zu führender „Einzelfälle“ die Führungsaufgabe überwiegend als Last empfinden. Insofern kann die Frage „Was macht mir an Führung Freude?“ auch ein prima Hauptthema eines Führungskräfteforums sein.

Für die Moderation sollten bei der Bearbeitung des Hauptthemas Techniken angewendet werden, die mehr Zeit geben, als beim Warm-up oder der Hinführung zum Thema. Ich verwende gerne das „World-Café“ oder „Walk & Write“. Beim World-Café treffen sich fünf bis acht Mitarbeitende an einer Tischgruppe, dem Café-Tisch. Als Tischdecke dient ein großes Brown- oder Whitepaper, auf dem die Aspekte aus der Gruppendiskussion festgehalten werden. Geleitet wird die Diskussion durch einen Gastgeber. In der Regel werden drei aufeinander aufbauende Fragen durch den Moderator benannt. Nach jeweils einer bearbeiteten Frage wechseln die Teilnehmer die Tische, so dass sich jeweils neue Gruppenkonstellationen ergeben. Die Gastgeber erläutern nach dem Tischwechsel kurz die Ergebnisse der vorherigen Gruppe und es wird mit der Bearbeitung der neuen Frage fortgesetzt. Werden pro Frage 20 Minuten Bearbeitungszeit vorgesehen, sind mit dem ersten Teil des World-Cafés weitere 60 Minuten gefüllt.

Den Abschluss des Führungskräfteforums und den zweiten Teil des World-Cafès bildet die Vorstellung der Tisch-Ergebnisse durch die jeweiligen Gastgeber. Dabei ist eine kurze Diskussion (Reflexion) im Plenum zu einzelnen Punkten möglich.

Bei „Walk & Write“ bilden die Teilnehmer ebenfalls Gruppen, jedoch bleibt die Gruppenkonstellation konstant. Die zu bearbeitenden Fragestellungen werden jeweils einzeln auf einer mit Brown- oder Whitepaper bespannten Pinnwand notiert. Die Gruppen halten ihre Diskussionsergebnisse auf dem Papier fest und gehen – beim Beispiel von drei Fragestellungen – nach jeweils 20 Minuten an die nächste Wand. Dort können sie die Arbeitsergebnisse der vorherigen Gruppe(n) sichten und durch eigene Aspekte ergänzen. Am Ende ist es dann die Aufgabe des Moderators, die Ergebnisse der einzelnen Papiere zusammenzufassen und dazu eine kurze Diskussion (Reflexion) zu initiieren.

Unserem Auftraggeber war es wichtig, dass die Teilnehmer bei dem entwickelten Format möglichst viele Impulse bekommen, sich mit dem eigenen Führungsverhalten auseinander zu setzen. Insofern kommt der Abschlussdiskussion ausdrücklich nicht die Bedeutung zu, ein konsentiertes Gesamtergebnis zu erzielen, das eine allgemeingültige Verbindlichkeit erhält. Insofern ist es durchaus in Ordnung, wenn sich einzelne Gruppenergebnisse auch widersprechen. Das Ergebnis ist in diesem Fall die Vielfalt an Sichtweisen.

Wir sind ebenfalls der Meinung, dass eine Selbstreflexion der Teilnehmer am Ende eines Führungskräfteforums viel wichtiger ist, als das Ergebnis einer allgemeingültigen Verhaltensweise. Wenn jeder Teilnehmer mit ein oder zwei Punkten das Forum verlässt, die er künftig bei seinem Führungsverhalten ändern oder zu denen er sich selbst überprüfen möchte, war die Veranstaltung ein voller Erfolg.

Ich habe das Führungskräfteforum bereits dreimal bei unserem Kunden durchgeführt. Die Teilnehmerzahl lag regelmäßig zwischen 50 und 60, was einer relativ hohen Quote entspricht. Eine schriftliche und anonyme Evaluation hat bislang noch nicht stattgefunden. Die mündlichen Rückmeldungen der Teilnehmer, aber auch der Geschäftsführung, spiegeln uns eine hohe Zufriedenheit mit diesem neuen Format wieder.

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