Wenn Flughäfen wie Krankenhäuser organisiert wären

Warum Kliniken dringend eine zentrale Aufnahmesteuerung brauchen

Beitrag von Dr. Christian Bamberg  - Vorstand, Kompetenzfeldleiter Arbeitgeberattraktivität und Führungskräfteentwicklung (21.10.2025)

Stellen wir uns folgendes Szenario auf einem Flughafen vor: Piloten legen ihre Slots für Start und Landung und die Flugrouten vollkommen autonom fest. Sie bestellen die Passagiere selbst ein. Damit sie sich nicht zu sehr in die Quere kommen, teilen sie sich die Startbahnen untereinander auf nach dem Motto: „Ich bin schon immer von Startbahn 2 geflogen!“. Ansonsten gilt: „First come, first served!“. 

Auf dem Rollfeld mühen sich „Rollfeld-Koordinatoren“ nach Kräften, die Flugzeuge in eine sinnvolle Reihenfolge von Starts und Landungen zu bringen – natürlich werden Privatflugzeuge auch kurzfristig vorgezogen. Unabhängig voneinander werden dieselben Serviceteams für Boarding-Treppen, Tanken, Catering oder Kabinen-Reinigung durch die Piloten angefordert…

Immerhin: es starten und landen tatsächlich immer mal wieder Flugzeuge, doch man denkt sich sofort „Wenn das mal nur gut geht!“. 

Der Tower als Schlüsselfaktor

Die Passagier-Luftfahrt ist eine Hoch-Risikobranche und setzt dabei auf eine ausgefeilte Prozesssteuerung mit enger Taktung von Starts und Landungen. Es gibt ein entscheidendes Detail, an dem wir einen Flughafen schon von Weitem erkennen können: den Tower!

Die Aufgabe des Towers auf Flughäfen ist, den Flugverkehr auf dem Rollfeld, den Start- und Landebahnen sowie im unmittelbaren Luftraum zu kontrollieren und zu koordinieren. Auf diese Weise werden Sicherheit und ein geordneter Ablauf gewährleistet. Tower-Lotsen erteilen Piloten Freigaben für Starts und Landungen, überwachen die Bewegungen am Boden und steuern mit ihren Anweisungen den gesamten Rollverkehr, um Zusammenstöße zu verhindern und einen effizienten Prozessfluss zu gewährleisten.

Krankenhäuser ohne Tower: Die aktuelle Herausforderung

Überträgt man das Bild des Flughafens auf das Krankenhaus, fällt sofort auf: Es gibt dort keinen Tower! Vielleicht findet man in Diagnostik- und Funktionsbereichen noch vereinzelte Insellösungen in Form von Steuerstellen oder einer OP-Koordination. Eine übergeordnete Gesamtsteuerung von Ressourcen und Kapazitäten (engl. Enterprise Ressource Planning, ERP) existiert jedoch nicht.

Besonders ausgeprägt ist das dezentrale, unkoordinierte Planen der prästationären Prozesse. Hier gibt es bislang oft keinen echten Überblick: Termine, Ambulanzen, Betten, Diagnostik, Intervention – jede klinische Einheit plant für sich und greift unabgestimmt auf dieselben, knappen Ressourcen zu. Die Folge: Doppelarbeit, Leerläufe, Informationsverlust, Frust – und unzufriedene PatientInnen, die immer wieder unterschiedliche Kontaktstellen haben und häufig mehrfach wiederkommen müssen. Terminketten aus einer Hand sind so unmöglich.

Paradigmenwechsel: Vom Silo zur zentralen Steuerung

Eine Änderung der Steuerung des prästationären Prozessflusses erfordert aber einen radikalen Paradigmenwechsel in der Rollenwahrnehmung der heute beteiligten Akteure und schafft neue „Prozess-Eigner“: Auf der einen Seite wird die Konfiguration der Leistung definiert, also die Frage beantwortet, was genau mit den PatientInnen gemacht werden soll. Das ist im Wesentlichen Aufgabe der Aufnahme-ÄrztInnen in der Indikationssprechstunde: Anforderungen, Ziele und Besonderheiten der Behandlung werden als Planungsinformationen im Sinne eines „Lastenhefts“ im Krankenhaus-Informationssystem (KIS) hinterlegt. Auf der anderen Seite wird das Lastenheft zum „Pflichtenheft“ für Disponenten, die das „Wie und Wo“, also alle erforderlichen Arbeitsschritte und Ressourcen zur Umsetzung der Konfiguration, aufeinander abstimmen und miteinander verknüpfen. Die Disponenten werden so zu Prozess-Lotsen für die prästationäre Patient Journey.

Und um noch einmal die Analogie zum Flughafen zu bemühen: Als weitere Komponente benötigt der prästationäre Prozessfluss eine Serviceeinheit – gleichsam wie ein Check-in-Schalter – für Zuweiser, PatientInnen und Angehörige.

DASZ – der prästationäre Tower für das Krankenhaus

Unsere Idee bei ZEQ ist, Konfiguration, Service und Disposition als drei Aufgabenfelder in einem zentralen Diagnostik-, Aufnahme- und Sprechstundenzentrum (DASZ) im Sinne eines prästationären „Towers“ zu vereinigen. Ausgewählte Beispiele für Grundsätze eines DASZ sind:

  • Damit das DASZ die Aufgabe im Sinne einer Serviceeinheit nach Außen und nach Innen bestmöglich erfüllen kann, haben die Disponenten Überblick und Zugriffs- bzw. Schreibrechte für das Bettenbelegungsmodul und für alle Planungskalender der Sprechstunden sowie Leistungsstellen für Interventionen oder Funktionsdiagnostik. Auch Dienst- und Urlaubspläne sowie andere Abwesenheiten müssen als Info vorliegen.
  • Das DASZ stellt die Bedürfnisse und Erwartungen der PatientInnen in den Mittelpunkt und fungiert als „single point of contact“. Die PatientInnen aller Fachabteilungen und Zentren laufen initial über das DASZ.
  • Zeitlich und personell angepasst an eine Analyse des Patientenaufkommens über den Tag sollte die Öffnungszeit des DASZ in der Regel einen Zeitraum von 08:00 bis 19:00 Uhr abdecken. Das bedeutet, dass durch die Fachabteilungen ein regulärer Sprechstundenbetrieb auch nachmittags organisiert wird. Hierdurch ist es besser möglich, Sprechstundentermine für Berufstätige anzubieten. Außerhalb der Öffnungszeit des DASZ geht die Disposition eines Betts für eine kurzfristig indizierte stationäre Aufnahme in die Verantwortung der ZNA über. Die Disposition des DASZ übergibt der ZNA hierzu definierte Betten. Eine „Bettensuche“ durch die ZNA ist im Regelfall nicht erforderlich. Am Folgetag erfolgt eine Übergabe der ZNA an die Disposition des DASZ. Die Belegung in der Nacht ist zusätzlich im KIS einsehbar.
  • Das DASZ soll durch die Kooperation mit den Zuweisenden im Falle der Überweisung bzw. Einweisung von PatientInnen auch eine Steuerung der Patient Journey mit dem Ziel ermöglichen, die ZNA von PatientInnen mit aufgeschobener medizinischer Dringlichkeit zu entlasten (gemäß Dringlichkeitscode Überweisungsschein). Letztlich sollen nur noch diejenigen PatientInnen mit aufgeschobener medizinischer Dringlichkeit für den Erstkontakt in der ZNA verbleiben, die sich fußläufig (aus Unwissenheit) selbst direkt in der ZNA einfinden. Diese PatientInnen werden als „ED“ (elektiv dringlich) eingestuft und zur Terminierung ins DASZ weitergeleitet. Die Klassifikationsfestlegung ist im KIS zu dokumentieren.

Ein weiterer entscheidender Vorteil des DASZ: erst dadurch wird ein durchgängiger digitaler Workflow mit Terminketten ermöglicht. (Elektiv-)PatientInnen erhalten bereits im Vorfeld via Patientenportal alle Informationen und Unterlagen, die zur Vorbereitung des Aufenthalts im Krankenhaus dienen – das sind Checklisten zu Wahlleistungsvereinbarungen, Anamnese- und Aufnahmedaten, geriatrischem Assessment oder Aufklärungsbögen. Die PatientInnen sollen in das Patientenportal auch alle Befunde und ihren Überweisungs- bzw. Einweisungsschein einstellen. Und Vorlieben zum Zeitraum, Serviceleistungen, Essensvorgaben etc. Nicht elektive Patienten können dies noch vor Ort an Check-in-Terminals ohne Personal machen. Sicherlich wird es aber immer auch einen gewissen Anteil an PatientInnen geben, die den digitalen Workflow nicht nutzen (wollen), so dass es weiterhin im DASZ einen Schalter mit Servicepersonal geben muss.

Im Servicebereich des DASZ befindet sich zudem als weiterer Zugangsweg die Telefonzentrale, über die Zuweisende und PatientInnen/ Angehörige Erstkontakt aufnehmen können. Natürlich ist auch denkbar, ein Einweiserportal anzubinden. Als Prozessziel gilt dann, dass Einweisende direkt Termin- sowie Bett-Buchungen für ihre PatientInnen im Krankenhaus vornehmen können.

Blick in die Zukunft: KI-gestützte Steuerung

Service und Disposition sind über einen absehbaren Zeitraum noch Aufgaben, die von Krankenhaus-Personal übernommen werden – es liegt jedoch nahe, dass die Prozess-Schritte im DASZ schon bald durch KI-Einsatz automatisiert werden. Auch die Konfiguration wird dann durch klinische Entscheidungsunterstützung (Clinical Decision Support, CDS) enorm erleichtert.

Warum Krankenhäuser jetzt ein DASZ brauchen

Über das DASZ wird der prästationäre Prozess erstmals ganzheitlich gesteuert, statt nebeneinander organisiert.

Unsere Überzeugung bei ZEQ: Nur mit einem DASZ können wir Patientenorientierung und Effizienz tatsächlich in Einklang bringen. Alles andere bleibt Stückwerk. Doch die Frage bleibt: Haben wir im Krankenhaus den Mut, zentrale Steuerungseinheiten zu etablieren – auch wenn es die alten Silos und Macht-Strukturen aufbricht?

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