Teil 1: Deckungs­beitrags­rechnung im Krankenhaus

Beitrag von Lasse Wissmann – Senior Manager (08.07.2022)

Einleitung

Die Deckungsbeitragsrechnung ist ein klassisches Instrument der Unternehmenssteuerung. Als Verfahren zur Ermittlung des Betriebsergebnisses ist sie ein wichtiger Bestandteil jedes kaufmännischen Controllingsystems und auch im Gesundheitswesen zunehmend stärker verbreitet – allerdings noch nicht überall erfolgreich etabliert. Die besonderen Strukturen im Krankenhaus erschweren den Aufbau und die Einführung einer Deckungsbeitragsrechnung. Noch schwerer ist es allerdings, Praktikern ohne kaufmännischen Hintergrund oder einer ausgeprägten Affinität zu Zahlen die Deckungsbeitragsrechnung näher zu bringen und so ihren praktischen Nutzen zu maximieren.

In dieser Blogreihe werde ich einige wiederkehrende Fragestellungen, Herausforderungen und Probleme beim Aufbau einer Deckungsbeitragsrechnung erläutern. Einen Anspruch auf Vollständigkeit kann und will ich aber natürlich nicht erheben. Wir werden uns im Folgenden vor allem auf Fragen der Erlösverteilung fokussieren. In der Praxis bietet die Kostenzuordnung aber natürlich auch viele Fragestellungen an, die es zu klären gilt. Diese hängen oft eng mit den tradierten Buchungs- und Verrechnungsstrukturen eines Krankenhauses zusammen und lassen sich nicht immer verallgemeinern. Dennoch gibt es wiederkehrende Herausforderungen, bei denen ZEQ von der Erfahrung vieler Deckungsbeitragsprojekte profitieren kann.

 

1    Die Probleme der klassischen Deckungsbeitragsrechnung

Klassisch wird die Deckungsbeitragsrechnung im einstufigen oder mehrstufigen Verfahren umgesetzt. Verbreitet ist im Krankenhaus dabei vor allem die mehrstufige Variante. In dieser werden vier verschiedene Deckungsbeiträge berechnet:

  1. Zunächst werden von allen Erlösen aus stationären, ambulanten und Wahlleistungen die direkten (Personal- und Sach-)Kosten abgezogen. → Deckungsbeitrag 1
  2. Im nächsten Schritt werden Kosten der interdisziplinären Strukturen und internen Dienstleister abgezogen. → Deckungsbeitrag 2
  3. Anschließend erfolgt der Abzug der medizinischen und nicht-medizinischen Infrastrukturkosten. → Deckungsbeitrag 3
  4. Nach Berechnung von Abschreibungen, Zinsen und Steuern ergibt sich das Gesamtergebnis. → Deckungsbeitrag 4

Obwohl das Verfahren etabliert und weit verbreitet ist, birgt es in der Praxis einige eklatante Schwächen, die – aus ZEQ-Sicht – dem zum Teil immensen Aufwand bei der Berechnung nur wenig praktischen Nutzen gegenüberstellen. Die klassische Struktur ist – wenn überhaupt – nur für die Gesamthaus-Sicht wirklich zu verwerten. Das Gesamtergebnis gibt Auskunft über den wirtschaftlichen Erfolg, lässt sich aber aus dem ohnehin zu erstellenden Jahresabschluss ablesen.

Auf Fachabteilungsebene, also der Ebene, für die die Deckungsbeitragsrechnung ein Mehrwert sein sollte, ist das Ergebnis nur bedingt aussagekräftig. Vor allem für die Praktiker ist die Botschaft der Deckungsbeitragsrechnung nach dieser Struktur oftmals verwirrend: Ein negatives Gesamtergebnis wird häufig in Frage gestellt, da sich in den Deckungsbeiträgen 1 und 2, die aus der Alltagsperspektive leichter nachzuvollziehen sind, oft sehr hohe positive Ergebnisse zeigen. Ohne tieferes Verständnis der Methodik werden die Ergebnisse oftmals als fremdverschuldet interpretiert: „Nach Abzug meiner direkten Kosten ist das Ergebnis extrem gut – also sind OP, Labor, Radiologie oder Verwaltung offenbar zu teuer.“ Ein fataler Trugschluss für die Steuerung der Fachabteilungen. Die Deckungsbeitragsrechnung wird so ad absurdum geführt und erreicht das Gegenteil dessen, was sie erreichen möchte.

Grundproblematik der klassischen Struktur ist das Verständnis der Refinanzierungsnotwendigkeiten. Die (Gesamt-)Erlöse der Fachabteilung können natürlich nicht nur zur Finanzierung der direkten Kosten genutzt werden, sondern müssen auch genutzte interdisziplinäre Strukturen und die für die Arbeit notwendige Infrastruktur bezahlen. Durch die Deckungsbeiträge 1 und 2 wird dies verschleiert und die Interpretation erschwert. Für Praktiker ergibt sich der Nutzen einer Deckungsbeitragsrechnung erst dann, wenn sie auf den ersten Blick Hinweise erhalten, wo positive oder negative wirtschaftliche Beiträge ihrer Fachabteilung zu finden sind.

 

2    Vom Deckungsbeitrag zum praktischen Steuerungsinstrument

Für die praktische Steuerung einer Abteilung sind Informationen über den Ergebnisbeitrag nach Kostenart zentral. Das heißt: Wenn die Fachabteilung zu einem negativen Gesamtergebnis beiträgt, liegen die (wirtschaftlichen) Probleme im ärztlichen Dienst oder eher bei den Sachkosten? Vielleicht bei den Implantaten oder doch in den Kosten der interdisziplinären Bereiche? Auch für die Steuerung des Gesamthauses sind diese Informationen zentral: Muss das Krankenhaus den Personaleinsatz einzelner Fachabteilungen näher betrachten, die Einkaufsstrukturen oder vielleicht doch das Labor analysieren? Die klassische Deckungsbeitragsrechnung gibt darüber keine Auskünfte – es braucht also einen besseren Ansatz.

Die zentrale Herausforderung beim Aufbau einer Kostenartenbasierten Deckungsbeitragsrechnung – ob nach KHBV, InEK oder eigener Zuteilung – ist die korrekte Zuteilung der Erlöse zu den verschiedenen Kostenarten. Dafür gibt es leider keine Universallösung, sodass für verschiedene Erlöstypen unterschiedliche Ansätze gewählt werden können. Der größte Posten sind dabei die DRG-Erlöse, für die es zwei Möglichkeiten mit jeweiligen Vor- und Nachteilen gibt:

 

2.1    Die Verteilung nach Ist-Kosten

Naheliegend ist, die Erlösanteile anhand der Ist-Kosten der verschiedenen Kostenarten zu verteilen. Das bedeutet, den relativen Anteil aller Kostenarten zu berechnen und diese prozentuale Verteilung dann auf die Erlöse zu übertragen. Dies kann auf Fachabteilungsebene oder detaillierter auf Fallebene geschehen. Größter Vorteil dieser Methodik ist, dass die Verteilung hausindividuell erfolgt und somit die Besonderheiten des Krankenhauses berücksichtigt. Das Problem dieser Methodik besteht aber – neben dem hohen Aufwand, den die fallbezogene Kostenberechnung über verschiedene Fachabteilungen erfordert – vor allem darin, dass sie mathematisch anfällig ist. In bestimmten Konstellationen ist es rechnerisch für (vor allem kleinere) Abteilungen von Vorteil, höhere Kosten zu verursachen, da ihnen dann auch mehr Erlöse zugerechnet werden. Die Methodik bringt also Fehlanreize für die Abteilungssteuerung mit sich, die es zu beachten gilt.

 

2.2    Orientierung an der InEK-Matrix

Idealerweise orientiert sich die Verteilung der Erlöse an externen Benchmark-Daten. Im Gesundheitswesen sind wir hier in der glücklichen Situation, dass uns im Rahmen der Finanzierung diese externen Orientierungswerte geliefert werden: Mit Hilfe der vom InEK-Institut veröffentlichten Kostenverteilungsdaten können wir die Erlösverteilung an der Ist-Kosten-Verteilung aller Kalkulationshäuser orientieren. Diese Verteilung ist mit relativ wenig Aufwand umzusetzen und ermöglicht uns eine durch externe Vergleichsdaten objektivierte Zuordnung der Erlösanteile zu den Kostendaten. Problematisch ist unter Umständen die Zusammensetzung der Stichprobe an Krankenhäusern, die dem InEK-Institut ihre Kostendaten melden. Insbesondere Maximalversorger und Universitätskliniken, aber ggf. auch sehr spezialisierte Fachabteilungen finden sich nicht immer in den Daten wieder.

 

3    Sonstige Erlösarten

Neben den DRG-Erlösen gibt es natürlich auch verschiedene andere Erlösarten, die in das Ergebnis einer Fachabteilung einfließen. Für etwa Ambulanzerlöse, Liquidationen oder Wahlleistungserträge gibt es keine externen Benchmarkdaten, die eine objektivierte Verteilung analog zur InEK-Kostenverteilung ermöglichen. Für jede dieser Erlösarten muss ein individueller Verteilungsschlüssel diskutiert und definiert werden, wobei natürlich eine Orientierung an Ist-Kosten-Daten oder der InEK-Verteilung möglich und sinnvoll sein kann.

ZEQ hat im Laufe vieler Deckungsbeitragsprojekte Richtwerte zur Verteilung verschiedener Erlösarten entwickelt, die es aber in jedem Projekt neu zu durchdenken und festzulegen gilt. Kein Krankenhaus ist wie das andere, daher müssen auch im Laufe der Zeit gewonnene Erfahrungswerte immer wieder kritisch geprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

 

4    ZEQ-Empfehlung

Aus ZEQ-Sicht überwiegen (fast immer) die Vorteile einer Verteilung auf InEK-Basis. In vielen Projekten zu Wirtschaftlichkeitsanalysen und zum Aufbau einer Deckungsbeitragsrechnung haben wir die InEK-basierte Berechnung erfolgreich etabliert und den verantwortlichen Führungskräften damit ein Steuerungsinstrument in die Hand gegeben, das sie auf dem Weg zu einem wirtschaftlich arbeitenden Krankenhaus unterstützt. Die eigentliche Arbeit bei der Etablierung der Deckungsbeitragsrechnung ist allerdings mit einer Entscheidung für eine Verteilungslogik noch nicht erledigt, sondern liegt – wie so oft – im Detail: Zunächst in der Festlegung von Verteilungen für alle Erlösarten und anschließend in der genauen Betrachtung der interdisziplinären Zusammenarbeit im Krankenhaus und deren Bedeutung für die Kosten- und Erlösbetrachtung.

Ist die grundlegende Frage der Erlösverteilung beantwortet, gilt es, tiefer in die Details der Zurechnungen einzutauchen. Im zweiten Teil der Blogreihe widme ich mich daher der Interdisziplinarität im Krankenhaus und ihrer Bedeutung für die Strukturen der Deckungsbeitragsrechnung.

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