Digitalisierung im Krankenhaus: Wenn, dann richtig!

Beitrag von Christina Mundinger – Project Manager (10.11.2021)

Digitalisierung beziehungsweise digital ist ein geflügeltes Wort, das den Einsatz eines weiten Spektrums an Technologien meint: Speisekarten in Restaurants werden digitalisiert durch QR-Codes zur Verfügung gestellt, SmartWatches überwachen konstant die Bewegungsdaten ihrer Träger und SmartFridges bestellen verbrauchte Lebensmittel automatisiert nach. Alle diese Technologien sind Teil „der Digitalisierung“. Der große Unterschied bei digitalen Produkten liegt darin, wie dazugehörige Prozesse beeinflusst werden.

Digitalisierung von analogen Daten

Ein früher großer, inzwischen aber immer kleiner werdender Anteil der digitalen Produkte entspricht dem Beispiel der digitalen Speisekarte im Restaurant. Analoge Informationen werden in ein digitales Medium umgewandelt - die Speisenauswahl ist über das Smartphone einsehbar. An den Grundprozessen im Restaurant ändert sich durch diese Art der Digitalisierung nichts. Es wird weiterhin eine Bedienung benötigt, Bargeld wird beim Bezahlen ausgetauscht, der Bon wird ausgedruckt.

Bei großen Digitalisierungsvorhaben, wie sie durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) nun bundesweit in Krankenhäusern anstehen, empfiehlt es sich, Digitalisierung ganzheitlich und somit auch aus einer prozessualen Sicht zu betrachten: Die digitale Speisekarte sollte so ausgebaut werden, dass sie prozessualen Mehrwert stiftet. Die Möglichkeit über ein mobiles Endgerät aus der Speisekarte direkt eine Bestellung zu platzieren, verkürzt Wartezeiten der Gäste und spart personelle Ressourcen.

Ein entsprechendes kliniknahes Beispiel ist das digitale Diktat. Der ursprüngliche Prozess einer Arztbriefschreibung wird durch die Etablierung eines digitalen Diktats nicht berührt. Eine Ärztin oder ein Arzt diktiert den Brief, welcher nun als MP3-Datei anstatt auf Band gespeichert wird. Diese Datei wird im gleichen Prozess nach einer gewissen Wartezeit vom Schreibdienst bearbeitet. Nach gegebenenfalls erneuter Wartezeit kann der Brief freigegeben und ausgehändigt werden. Der praktische Mehrwert des digitalen Diktats beschränkt sich darauf, dass keine physischen Bänder mehr abgeholt und gelagert werden müssen.

Prozesse digital denken

Mobile Spracherkennung hingegen stellt ein bereits von Grund auf deutlich prozessualer gedachtes digitales Produkt dar. Die gesprochenen Worte werden sofort erkannt und als Text in dem zuvor ausgewählten Textfeld hinterlegt. Der Arzt, die Ärztin oder die Pflegekraft überprüft diesen sofort auf Richtigkeit, sodass der fertige Text bereits Sekunden später freigeben werden kann. Es ist denkbar, dass durch Spracherkennung mittelfristig der komplette Schreibdienst anderweitige Aufgaben übernehmen kann. An dieser Stelle gilt es konsequent weiter durchzuspielen, was Spracherkennung für Auswirkungen auf den Alltag im Krankenhaus haben kann.

An dieser Stelle ein kleiner Exkurs in die Anglistik: Der geschilderte Unterschied kann im Englischen deutlich präziser ausgedrückt werden als im Deutschen: „Digitisation“ beschreibt den Umstellungsprozess der Datenspeicherung von einem analogen Medium (wie die Sprachaufnahmen auf Band) auf ein digitales Medium (in unserem Fall die Speicherung als MP3-Datei).

„Digitalisation“ hingegen bedeutet, dass nicht nur die Daten digitalisiert werden, sondern auch die komplette Logik der Prozesse mitgedacht und entsprechend angepasst werden.

Durch die schnelle, unkomplizierte Art der Dokumentation kann diese deutlich zeitnäher erfolgen. Eine zeitlich nachgelagerte Dokumentation - zum Teil Stunden nach einer Visite - kann entfallen. Da Spracherkennung jedoch aus Datenschutzgründen nicht auf dem Flur oder im Patientenzimmer genutzt werden sollte, wird der Bedarf an nur den Krankenhausangestellten zugänglichen Orten, wie Arztzimmern oder Pflegestützpunkten, steigen. Für die Nutzung von mobiler Spracherkennung ist jedoch kein großer Schreibtisch, kein Regal für Ordner und kein fester Desktop-PC notwendig. Denkbar ist somit, dass die Anzahl von klassischen Arztzimmern wie auch die Dokumentationsarbeit in Pflegestützpunkten reduziert und stattdessen vermehrt Spracherkennung in kleinen, schallgeschützten Telefonzellen, wie Sie bisher primär aus Berliner Start-ups bekannt sind, genutzt wird. Dies wiederum ermöglicht die Umgestaltung von Arztzimmern und Stationsstützpunkten, in denen die Dokumentations-Arbeitsplätze dann nicht mehr im Fokus stehen.

Fazit

Wer nur digitale Produkte kauft, um den Mindestanforderungen des KHZG gerecht zu werden, tut sich somit keinen Gefallen. Nur wenn bei Digitalisierungsprojekten die prozessualen Implikationen auf die Praxis konsequent von Anfang an mit betrachtet werden, kann sich der Mehrwert von Digitalisierung und Synergien zwischen einzelnen Projekten maximal entfalten.

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