Emotionsarbeit im Krankenhaus: Mitarbeiterbefragungen als Instrument für mehr Sichtbarkeit

Beitrag von Anne Hossain - Consultant (24.06.2025)

Krankenhäuser sind Orte der Heilung, aber auch großer emotionaler Herausforderungen. Pflegekräfte, ÄrztInnen und andere Mitarbeitende im Gesundheitswesen sind täglich mit menschlichem Leid, Angst und teilweise auch mit dem Tod konfrontiert. Dabei geht es nicht nur um die körperliche Versorgung der PatientInnen, sondern auch um deren emotionale Unterstützung — eine Aufgabe, die oft übersehen und unterschätzt wird. Diese Emotionsarbeit, also der bewusste Umgang mit eigenen und auch fremden Gefühlen, ist ein wesentlicher Bestandteil des Berufsalltags im Gesundheitswesen und kann eine starke psychische Belastung darstellen. Psychische Belastung bei der Arbeit im Gesundheitswesen kann schwere Folgen haben, doch es gibt Möglichkeiten, emotionale Erschöpfung sichtbarer zu machen.

 

Die emotionale Herausforderung des Gesundheitswesens

Die tägliche Konfrontation mit Schicksalsschlägen, schweren Diagnosen und psychischen Erkrankungen fordert den Mitarbeitenden im Krankenhaus viel ab. Viele Mitarbeitende im Gesundheitswesen erleben häufig Situationen, in denen sie ihre eigenen Emotionen kontrollieren müssen, um den PatientInnen und deren Familien Halt zu geben. Das erfordert zum einen professionelle Kompetenz und zum anderen auch besondere emotionale Stärke.

Emotionsarbeit bedeutet in diesem Kontext, dass Mitarbeitende ihre eigenen Gefühle regulieren oder verstecken, um gegenüber ihren PatientInnen empathisch, ruhig und souverän aufzutreten — selbst dann, wenn sie sich innerlich eigentlich ganz anders fühlen. Während körperliche Belastungen wie lange Schichten oder die Hektik des Klinikalltags offensichtlicher sind, wird Emotionsarbeit oft unterschätzt und die psychische Belastung dadurch unsichtbar. 

Mitarbeitende im Gesundheitswesen befinden sich häufig in einem Dilemma zwischen echter Empathie und professioneller Distanz. Während die Fähigkeit zur Empathie für die Behandlung von PatientInnen essenziell ist, führt eine dauerhafte emotionale Nähe zu einer erhöhten psychischen Belastung. Viele Mitarbeitende möchten stark sein — für die PatientInnen, die Angehörigen und auch für die KollegInnen oder sich selbst. Diese innere Anspannung und das Unterdrücken eigener Gefühle kosten jedoch viel Energie.

Auch der Umgang mit sehr fordernden oder sogar aggressiven PatientInnen kann die psychische Gesundheit belasten. Es ist nicht nur die Menge der Arbeit, welche belastend ist, sondern vor allem auch die emotionale Intensität der Aufgaben.

Eine Umfrage des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung der Barmer hat festgestellt, dass sich rund 52% der Pflegekräfte im Gesundheitswesen emotional erschöpft fühlen [1]. Langfristig kann emotionale Erschöpfung zum Burnout führen. Das kann sich in häufigen Fehlzeiten, fehlendem Engagement und einer hohen Fluktuation in der Belegschaft äußern.

 

Wie Mitarbeiterbefragungen helfen können, emotionale Erschöpfung sichtbar zu machen

In vielen Krankenhäusern sind Mitarbeiterbefragungen bereits ein bewährtes Mittel, um die Zufriedenheit und das Engagement der Mitarbeitenden zu messen. Um auch die emotionale Erschöpfung in der eigenen Einrichtung sichtbar zu machen, sollte sich eine Mitarbeiterbefragung nicht nur auf organisatorische Themen, wie beispielsweise die Zufriedenheit mit den Arbeitszeiten oder Weiterbildungsmöglichkeiten konzentrieren. Vielmehr sollte sie mit gezielten Fragen auch auf die emotionale Belastung und die psychische Gesundheit eingehen.

Dies kann helfen, die emotionale Belastung greifbar zu machen und aufzuzeigen, ob und wo es Probleme gibt. Wichtig ist hierbei die Anonymität der Befragung, um ehrliche Antworten zu erhalten. Wenn die Ergebnisse ernst genommen und konkrete Maßnahmen daraus abgeleitet werden, können Mitarbeiterbefragungen zu einem wertvollen Instrument im Umgang mit psychischer Belastung werden. 

 

Von der Erkenntnis zur Verbesserung: Maßnahmen gegen emotionale Erschöpfung

Natürlich sollten die Erkenntnisse aus Mitarbeiterbefragungen nicht in der Schublade verschwinden, sondern konkrete und sichtbare Maßnahmen nach sich ziehen. Zum einen können die Antworten der Befragung bereits Hinweise auf Wünsche und Lösungsvorschläge von den Mitarbeitenden selbst geben. Zum anderen kann die Etablierung eines Planes in der Einrichtung sowohl zur Vorsorge als auch zur Unterstützung bei Belastungen dienen. So kann es beispielsweise hilfreich sein, die emotionale Belastung als festen Bestandteil des betrieblichen Gesundheitsmanagements einzuarbeiten. Unterstützungsangebote wie Supervisionen, psychologische Beratung oder Möglichkeiten zum Rückzug können dabei helfen, die emotionale Belastung besser zu verarbeiten.

Auch der Austausch im Team spielt eine wichtige Rolle. Regelmäßige Besprechungen, bei denen nicht nur medizinische, sondern auch emotionale Aspekte der Arbeit mit PatientInnen zur Sprache kommen, können die Mitarbeitenden entlasten und das Gefühl stärken, bei Herausforderungen nicht allein zu sein. 

 

Echte Wertschätzung ist mehr als ein Dankeschön

Neben konkreten Maßnahmen zur Entlastung ist auch etwas anderes entscheidend: echte Wertschätzung. Und die geht weit über ein gelegentliches „Dankeschön“ oder auch finanzielle Aspekte hinaus. Wer sich für die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden interessiert, sollte regelmäßig das Gespräch suchen und ein offenes Ohr für deren Sorgen haben. Ein wertschätzender Umgang zeigt sich auch darin, emotionale Belastungen ernst zu nehmen und nicht als individuelles Problem abzutun.

Mitarbeiterbefragungen können hier eine Brücke schlagen, indem sie nicht nur Belastungen aufzeigen, sondern auch die Wertschätzung selbst zum Thema machen:

  • „Unsere Zusammenarbeit ist von gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung geprägt“
  • „Ich fühle mich in Belastungssituationen ernst genommen.“

Die passenden Fragen in einem Fragebogen können sichtbar machen, ob und wie sehr sich die Mitarbeitenden gesehen fühlen. Wenn die Antworten ernst genommen werden und in Maßnahmen umgesetzt werden, die von den betroffenen Personen gesehen werden, kann dies die Zufriedenheit und Bindung der Mitarbeitenden nachhaltig stärken.

 

Fazit: Emotionsarbeit sichtbar machen und ernst nehmen

Die psychische Belastung durch Emotionsarbeit im Krankenhaus ist ein oft unterschätzter Einflussfaktor auf die Gesundheit der Mitarbeitenden. Emotionale Belastung oder sogar Überlastung der Mitarbeitenden kann sich auf die Zusammenarbeit in der gesamten Einrichtung auswirken. Doch wenn Einrichtungen im Gesundheitswesen die emotionale Belastung nicht nur wahrnehmen, sondern aktiv ansprechen und darauf reagieren, können die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden verbessert werden und Belastungen reduziert werden.

Mitarbeiterbefragungen können dabei ein wertvolles Werkzeug sein, um emotionale Belastung sichtbar zu machen. Es geht darum, die Menschen hinter den Zahlen zu sehen und ihre Emotionen ernst zu nehmen. Nur so lässt sich eine Arbeitskultur schaffen, die nicht nur körperlich, sondern auch psychisch gesund ist. 

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Quelle

[1] IFBG (Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung) & BARMER, Pflegestudie 2.0, 2024

 

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