Krankenhauszukunftsgesetz: Eine konstruktive Kritik

Beitrag von Felix Franz – Project Manager (21.12.2021)

Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) startete ein dringend notwendiges und wichtiges Investitionsprogramm. Die Verabschiedung des Gesetzes ermöglicht erstmals, dass hohe Summen in die Digitalisierung deutscher Krankenhäuser fließen. Dass dies in erster Linie positiv zu bewerten ist, steht außer Frage. Trotzdem halte ich es für essenziell, die vergangene Antragsphase kritisch zu betrachten und aus einigen Kritikpunkten für die Zukunft zu lernen.

 

 

1    Interpretationsspielräume der Förderrichtlinie

Die Kategorisierung des Fördergegenstandes in insgesamt elf Fördertatbestände halte ich für sehr gelungen. Jeder dieser Tatbestände wird in der Förderrichtlinie mit einer klaren Zielsetzung und einer Reihe von Muss- und Kann-Kriterien versehen. Vor allem die Auflistung der für den Erhalt einer Förderung zwingend umzusetzenden Muss-Kriterien suggeriert zunächst, dass der Gesetzgeber ganz klar vor Augen hat, in welche Richtung er die Digitalisierung der Krankenhäuser lenken möchte. In der Phase der Antragsstellung hat sich allerdings gezeigt, dass die Kriterien und Förderbedingungen doch noch sehr viel Spielraum für Interpretationen lassen.
Während wir zahlreiche Krankenhäuser in der Antragsstellung unterstützt haben, sind an uns immer wieder die gleichen Fragestellungen herangetragen worden. Beispielhaft sind folgende zwei Fragen zu nennen:

  • Welchen Durchdringungsgrad müssen die Spracherkennungssysteme im Krankenhaus besitzen, sodass die diesbezüglichen Muss-Anforderungen als erfüllt betrachtet werden können?
    Aus der Förderrichtlinie lässt sich zwar ableiten, dass der Einsatz von einzelnen Lizenzen zur Spracherkennung (z.B. lediglich in der Radiologie) nicht für eine Anforderungserfüllung ausreichen wird, eine klare Kenngröße wird jedoch nicht vorgegeben. Dies hat dazu geführt, dass einzelne Hersteller den Kliniken eine prozentuale Mindestquote nahelegen, die im Gesetzestext defacto so aber nicht gegeben ist.
  • Können Point-of-Care-Geräte gefördert werden?
    Dass diese Frage nie adäquat beantwortet wurde, halte ich für sehr unglücklich, da sie besonders häufig aufgetreten ist. Bei einigen Herstellern waren Point-Of-Care-Geräte fester Bestandteil von KHZG-Preisinformationen zum Fördertatbestand 3. Zum Fördertatbestand 3 heißt es seitens des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS) jedoch, dass Medizintechnik nur dann förderfähig ist, wenn sie unabdingbar zur Erfüllung der Muss-Kriterien notwendig ist. Ob dies nun der Fall ist, bleibt hauptsächlich persönlicher Interpretationsspielraum.

Dies sind lediglich zwei konkrete Beispiele von vielen. Dass es zu diesen und weiteren häufigen Fragestellungen nie eine klärende Aussage gab, finde ich sehr schade. Denn schließlich haben sich die antragsstellenden Krankenhäuser intensiv damit beschäftigten müssen. In diversen Auftaktveranstaltungen war immer wieder die Rede von einer gebündelten FAQ-Zusammenstellung zur Unterstützung der Antragsstellung. Dies wurde seitens der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), dem BAS und dem health innovation hub versprochen. Letztlich bleibt die einzige ausführliche offizielle FAQ-Zusammenstellung die des Bundesgesundheitsministeriums mit Stand vom 20. November 2020. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich viele Detailfragen zur Antragsstellung noch gar nicht ergeben. Daneben finden sich in den Umsetzungshinweisen der DKG nur eine kleine Ansammlung von sechs beantworteten Fragen.
Eine klare Stellungnahme zu konkreten inhaltlichen Fragen wäre äußerst hilfreich gewesen und hätte bei der Antragsstellung ein Rätselraten vermieden.

2    Die Rolle des berechtigten IT-Dienstleisters

Dem so genannten berechtigten IT-Dienstleister kommt im KHZG eine relevante Rolle zu. Er bescheinigt für gewisse Fördertatbestände die Passgenauigkeit des beantragten Vorhabens. Ohne einen Nachweis ist die Beantragung der Gelder nicht möglich.
Der dahinterstehende Gedanke, eine dezentrale Qualitätssicherung der Antragsstellung durchzuführen, ergibt durchaus Sinn. Vor allem wenn dies bedeutet, FachexpertInnen in die Antragsstellung mit einzubeziehen. Problematisch ist meines Erachtens jedoch, wer in der Praxis tatsächlich als berechtigter IT-Dienstleister auftritt. In vielen Fällen sind dies nämlich die Hersteller, welche Ihre Produkte in der Förderung sehen möchten. Dies halte ich für einen konzeptionellen Fehler in der Gesetzgebung. Produkthersteller haben naturgemäß ein wirtschaftliches Interesse am Vertrieb Ihrer Produkte und somit auch daran, dass diese Teil des durch das KHZG ausgelösten Digitalisierungsschubs sind. Ein Mehrwert in der Antragsqualität geht meiner Meinung nach verloren, wenn es erlaubt ist, dass Hersteller der beantragten Produkte auch deren Passung zur Förderrichtlinie bescheinigen dürfen. Diese Rolle sollte dann doch viel eher unabhängigen Dritten zugewiesen werden. Eine solche Regelung wurde leider nur in einigen Bundesländern durchgesetzt und nicht bundesweit.

3    Nachweispflichten

Direkt verknüpft mit der Rolle des berechtigten IT-Dienstleisters ist auch das Thema der Nachweispflichten. Wie bereits erwähnt, war es notwendig, dass ein berechtigter IT-Dienstleister zur Antragsstellung Nachweise über die Passgenauigkeit der Fördervorhaben zur Förderrichtlinie erbringt. Neben den initialen Nachweisen sind jedoch auch jährlich Nachweise im Laufe der Förderperiode vorgesehen. In diesem Bereich sehe ich dringenden Konkretisierungsbedarf seitens des BAS, da die Vorgaben zu den laufenden Nachweispflichten momentan noch sehr rudimentär sind. In § 25 KHSFV Absatz 1 Satz 2 lässt sich nachlesen, dass es jährlich einen Nachweis des beauftragten und berechtigten IT-Dienstleisters darüber bedarf, dass die Förderrichtlinien des Bundesamtes für Soziale Sicherung eingehalten wurden. Was diese Vorgabe nun tatsächlich bedeutet, ist zum heutigen Zeitpunkt vollkommen unklar. In der Förderrichtlinie lassen sich zahlreiche Vorgaben finden. Diese sind unter anderem:

  • die Fördertatbestand-spezifischen Vorgaben (wie z.B. Zielsetzung und Muss-Kriterien),
  • Vorgaben zur Einhaltung von Interoperabilität-Standards,
  • Vorgaben zum Datenschutz und der Informationssicherheit,
  • vergaberechtliche Vorgaben,
  • Vorgaben zur Anwendung der Dienste der Telematik-Infrastruktur,
  • und viele weitere.

Es stellt sich nun die Frage, welche dieser Vorgaben ein berechtigter IT-Dienstleister überhaupt adäquat überprüfen muss und kann. Zur Erinnerung: Jede Person, die eine einstündige Online-Schulung mit Lernerfolgskontrolle durchlaufen hat, erhält das BAS-Zertifikat zum berechtigten IT-Dienstleister. Ist dies ausreichend, um Fragestellungen der Interoperabilität in komplexen IT-Landschaften zu beantworten? Ist dies ausreichend, um die Anwendungsbereiche der Telematik-Infrastruktur zu verstehen? Ist dies ausreichend, um sicherheitsrelevante Anschaffungen für die Krankenhaus-IT zu bewerten? Ich denke, dass diese Bewertungen sehr schwierig werden und eine einfache Online-Schulung in keiner Weise das notwendige Know-How hierfür liefert. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die durch den berechtigten IT-Dienstleister zu erbringenden Nachweise stark eingegrenzt werden müssen. Wir können allerdings leider nicht davon ausgehen, dass dies selbstverständlich ist. Die bisher notwendigen ausführlichen Bestätigungen seitens des berechtigten IT-Dienstleisters in einigen Bundesländern (wie z. B. in Sachsen-Anhalt) deuten leider auf ein anderes Vorgehen hin. Insgesamt wurden an die berechtigten IT-Dienstleister viele Prüfpflichten weitergegeben. Fragen der Haftung möchte ich an dieser Stelle erst gar nicht ansprechen.
Bezüglich der Nachweispflichten lohnt sich auch nochmals ein Blick auf die Zeitplanung des BAS. Es ist vorgesehen, dass die Länder alle Nachweise nach § 25 KHSFV zum 1. April eines Jahres an das BAS weiterleiten. Es ist davon auszugehen, dass die Krankenhäuser somit vermutlich bis Februar oder März ihre Nachweise an die zuständigen Landesministerien übermitteln müssen. Dass bis heute noch keine Konkretisierung der Nachweispflichten vorliegt, macht es schwer die bald anstehende Nachweiserbringung adäquat vorzubereiten. Deshalb möchte ich an dieser Stelle an eine zeitnahe Spezifizierung seitens des Gesetzgebers und optimalerweise an die Zurverfügungstellung von einheitlichen Nachweisformularen appellieren.

4    Verbindlichkeit des Finanzierungsplans

Zuletzt möchte ich auf eine weitere wichtige, noch offene Fragestellung eingehen – und zwar die nach der Verbindlichkeit des eingereichten Finanzierungsplans. In allen Projekten, in denen wir die Antragsstellung unterstützt haben, wurde sich seitens der IT- und Einkaufs-Abteilung der Krankenhäuser größtmögliche Mühe gegeben, eine valide Kostenschätzung für die Beantragung der Fördergelder aufzustellen. Trotzdem wäre es utopisch davon auszugehen, dass diese Schätzungen Cent-genaue Vorhersagen der im Laufe der Förderperiode entstehenden Kosten sind. Mit anderen Worten heißt dies, dass wir fest davon ausgehen, dass es im Laufe der Förderperiode zu Verschiebungen in der Kostenstruktur kommt. Logisch und vollkommen klar ist es, dass in Fällen eines Mehrbedarfs an Geldern diese Kosten durch die Krankenhausträger zu tragen sind. Schließlich kann im Förderbescheid nur eine gewisse Summe an Geldern genehmigt werden. Was jedoch noch vollkommen unklar ist, sind die Fälle, in denen es zu Kostenverschiebungen zwischen den beantragten Kostenarten kommt. So ist es beispielsweise denkbar, dass weniger externe Dienstleistungen eingekauft werden, zum Ausgleich jedoch mehr interne personelle Ressourcen benötigt werden. Ob ein solcher Fall problemlos über die bewilligten Fördergelder abgewickelt werden kann, ist bis heute noch ungeklärt. Eine offizielle Stellungnahme hierzu wäre für die anstehende Umsetzungsphase äußerst hilfreich. Zumal noch etliche weitere denkbare Szenarien zu potenziell aufkommenden Kostenverschiebungen denkbar sind. Eine besonders heikle Kostenverschiebung würde vorliegen, wenn die Maßnahmen zur Erhöhung der Informationssicherheit deutlich günstiger eingekauft werden können als vorab kalkuliert und das Krankenhaus somit die 15 %-Regelung bezüglich Investition in die Informationssicherheit nicht mehr einhalten kann. Könnten in diesem Falle weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Informationssicherheit hinzugezogen werden oder wäre das Gesamtportfolio zu kürzen, sodass die 15 %-Regel erfüllt wird?
Diese Detailfragen sind zum jetzigen Zeitpunkt größtenteils offen. Sie werden im Rahmen der anstehenden Umsetzungsphase jedoch schnell relevant werden. Deshalb hoffe ich, dass ein reger Austausch zwischen den Krankenhausträgern, den Landesministerien, dem BAS und den berechtigten IT-Dienstleistern stattfinden kann. Eine pragmatische Lösung hinsichtlich potenzieller Kostenverschiebungen wäre sicherlich für alle Seiten von Vorteil und würde das gemeinsame Ziel der Krankenhaus-Digitalisierung in den Vordergrund rücken. Um eine solches Großvorhaben deutschlandweit in hoher Geschwindigkeit umzusetzen, ist es notwendig, die administrativen Hürden so gering wie möglich zu halten.

Fazit

Die meisten der aufgeführten Punkte zeigen auf, dass es momentan noch an einigen zentralen Vorgaben seitens des Gesetzgebers mangelt. In Anbetracht der hohen Geschwindigkeit, die das KHZG vorgibt, sollten diese allerdings so schnell wie möglich getroffen werden. Hierzu möchte ich aufrufen, sodass die anstehende Umsetzungsphase so strukturiert wie möglich stattfinden kann und niemand aus formellen Irrtümern Rückforderungen zu befürchten hat.

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