Wie entsteht Angst?
Evolutionsbiologisch ist Angst ein ganz natürlicher und sehr praktischer Schutzmechanismus. Alle Informationen, die in unser Gehirn eingehen, werden von der Amygdala (unserem Angstzentrum) gefiltert und an die entsprechenden Hirnareale weitergeleitet. Bei Gefahren wird eine Angstreaktion ausgelöst und die Stresshormone Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Die Auswirkungen sind ein erhöhter Blutdruck, Blutzucker und Puls sowie eine angespannte Muskulatur, damit unser Körper die maximale Leistungsbereitschaft erreicht. Diese Schutzmaßnahmen sind sinnvoll, da so Kampf oder Flucht ermöglicht werden. Doch insbesondere Mitarbeiter im Gesundheitswesen stehen jetzt vor noch weiteren Herausforderungen. Sie werden an vorderster Front gebraucht und müssen ihre eigenen Ängste überwinden, um für die Erkrankten da sein zu können. Wenn Ängste jedoch langfristig anhalten und Stress chronisch wird, sind wir anfälliger für psychische Erkrankungen. Daher ist der richtige Umgang mit Stress und Angst umso wichtiger.
Welche Empfehlungen gibt es zum Umgang mit der Angst?
An erster Stelle steht die Aufklärung. Denn aktuelle fundierte Informationen wie beispielsweise vom RKI schützen vor Irrtümern und geben Sicherheit. Nur wenn ich Wissen über Corona habe, kann ich mir selbst ein Bild machen. Zu betonen ist aber auch die Information in Maßen. Zu empfehlen ist hier, dass man sich maximal ein- bis zweimal am Tag über die Corona-Lage informiert, da psychologisch gesehen negative Informationen ganz anders haften bleiben als positive, sodass diese belastend und wie eine Negativspirale wirken können. Auch im Krankenhaus ist eine Versachlichung und Transparenz immens wichtig: Wenn Entscheidungen in einem Krisenstab getroffen werden, müssen diese über Stationsleitungen und Teamleitungen zurück an das gesamte Team gespiegelt werden. Gleichzeitig wird eine klare Perspektive über die nächsten Schritte benötigt. Insgesamt können Informationen und Aufklärung somit bei der Emotionsregulation helfen: An der Corona-Pandemie kann ich nichts ändern, aber ich habe alle benötigten Informationen und fokussiere mich darauf, mich zu schützen, indem ich konsequent alle erforderlichen Maßnahmen einhalte.
Wir haben zu Beginn gesehen, dass Angst und Stress Hand in Hand gehen. Was hilft beim Stressabbau?
An oberster Stelle steht hier die Selbstfürsorge, das bedeutet, dass ich bewusst auf mich und meine Bedürfnisse achte. Für manche mag das Sport und Bewegung sein, sich auspowern oder abends einen langen Spaziergang machen. Bei anderen ist es das Lieblingsbuch, Musik, ein Instrument spielen oder Entspannung. Darüber hinaus ist es wichtig, auf eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf zu achten, um so die Kraftreserven aufzutanken. In Stresssituationen passiert es schnell, dass wir nur kurz im Stehen etwas Süßes essen, statt uns in Ruhe für eine gesunde Mahlzeit hinzusetzen. Pausen bei der Arbeit waren auch vor Corona ein relevantes Thema, sind aber nun wichtiger denn je, und seien es nur kurz zwei Minuten, um tief durchzuatmen und sich zu besinnen. Gerade zu Zeiten der Isolationen fehlen uns zudem häufig soziale Kontakte. Aber dennoch helfen eine liebe Stimme am Telefon oder ein gemeinsamer Videochat. Auch kleine Aufmerksamkeiten auf der Arbeit wirken positiv, seien es Verpflegung oder aufmunternde Worte und Komplimente. Hier sind derzeit alle Führungskräfte gefordert, um Ängste nehmen und eine positive Botschaft zu vermitteln, das gilt aber natürlich genauso für Kollegen untereinander.
Die Rolle der Resilienz
Was letztendlich entscheiden wird, wie wir die derzeitigen Ängste und den Stress meistern werden, ist die Resilienz, unsere innere psychische Widerstandskraft. Jeder von uns geht unterschiedlich mit derartigen Belastungssituationen um, aber die gute Nachricht ist: Wir können unsere Resilienz trainieren. Es lohnt sich daher, die genannten Empfehlungen zu nutzen, um mit einer höheren Resilienz gestärkt aus der Corona-Krise hervorzugehen.