Was Krankenhäuser von der Automobilindustrie lernen können (Teil 2): kontinuierliche Verbesserung und Feedback durch Messbarkeit von Prozessen

Beitrag von Luise Repges - Consultant (09.12.2025)

In Teil 1 haben wir gezeigt, warum Struktur nicht nur in der Automobilindustrie wichtig ist, sondern auch, was durch Struktur in Krankenhäusern geschaffen werden kann: Prozesse werden stabiler, Abläufe vorhersehbarer und Versorgungsfehler seltener. Wie gelebtes Qualitätsmanagement in Krankenhäusern etabliert werden kann, erfahren Sie nun in diesem Teil. 

Lernen von der Automobilindustrie: Feedback in Echtzeit

In modernen Automobilwerken endet Qualitätssicherung nicht am Band. Mitarbeitende geben laufend Rückmeldungen zu Engpässen, Störungen oder Verbesserungsideen. Diese fließen unmittelbar in sogenannte Shopfloor-Dashboards ein – sichtbar für alle, vom Bandarbeiter bis zum Werksleiter. So entsteht eine Kultur, in der jeder Beitrag zählt und Verbesserungen schnell umgesetzt werden können.

Auch im Krankenhaus gilt: Wer am engsten an den PatientInnen arbeitet, erkennt Probleme und Potenziale am schnellsten. Pflegekräfte, ÄrztInnen und TherapeutInnen sehen täglich, wo Abläufe haken, welche Aufgaben doppelt erledigt werden – und wo digitale Unterstützung fehlt. Mit Hilfe eines digitalen Shopfloor-Dashboards kann auch auf Station im Krankenhaus das Team mit klarer Struktur, Feedback und Visualisierung gesteuert werden und sich selbst steuern. 

Feedbackkultur im Krankenhaus: Von retrospektiv zu live

Während Qualitätsberichte in Krankenhäusern häufig retrospektiv und abstrakt bleiben, braucht es für den Alltag auf Station sichtbare, sofort wirksame Feedbackmechanismen.
Beispiele:

  • Live-Dashboards im Stationsstützpunkt zeigen in Echtzeit zentrale Kennzahlen: pünktlich verabreichte Medikation, offene Aufträge, die Aufgabenverteilung zwischen ÄrztInnen und Pflegekräften und Überlastungsindikatoren im Team. Der Vorteil: Alle Teammitglieder haben jederzeit dasselbe Lagebild und getroffene Entscheidungen sind für alle transparent nachvollziehbar. Analog zu Andon-Boards in der Fertigung des Automobilherstellers können Pflegekräfte auf Station Abweichungen sofort markieren – und das Team reagiert zeitnah. Führungskräfte reagieren kurzfristig, um Überlastung und Risiken zu vermeiden und wichtige Störungen werden dokumentiert und fließen in Verbesserungsrunden ein.
  • Messbare Meilensteine im Stationsalltag: Als Beispiel schauen wir uns die Pünktlichkeit und Dauer der Visite an: Konkret gemessen wird der Anteil der Visiten, der zum geplanten Zeitpunkt startet und in der vorgesehenen Zeitspanne (z.B. 60 Minuten) abgeschlossen ist. Alle KollegInnen können live oder wöchentlich auf einem Dashboard mögliche Verzögerungen erkennen und in einer Kurz-Evaluation am Schichtende oder in einem wöchentlichen Review mögliche Ursachen identifizieren und konkrete Maßnahmen ableiten. Alle auf der Station tätigen Berufsgruppen profitieren durch einen planbaren Ablauf und die PatientInnen erleben Kontinuität.
  • Auch die Qualität des Entlassungsprozesses kann gemessen und auf einem Live-Dashboard angezeigt werden: Gemessen wird der Anteil der PatientInnen, deren Entlassung mindestens 24 Stunden im Voraus auf dem Teamboard angekündigt wurde. Das Dashboard zeigt: Wurde die Entlassung rechtzeitig angekündigt? War der Zeitpunkt der Entlassung bekannt? Wurden notwendige Schritte zur Entlassung wie z.B. der Arztbrief, der Krankentransport und die Information an Angehörige rechtzeitig erledigt? So wird die Planbarkeit sofort sichtbar. Wöchentlich kann man sich dann eine Auswertung anschauen, wie viele Entlassungen strukturiert und wie viele ad hoc abliefen. Ziel ist, dass die PatientInnen gut vorbereitet nach Hause gehen und die Entlassungen planbar sind und die Unterbrechungen mit Rückfragen zur Entlassung im Alltag reduziert werden.
  • Auch die Effizienz interprofessioneller Morgenbesprechungen kann sichtbar gemacht werden: Welche Berufsgruppen waren anwesend? Wurden alle notwendigen Punkte geklärt? So lässt sich messen, ob Besprechungen echte Taktpunkte im Stationsablauf sind oder Nacharbeit verursachen. Wirkung: Mehr Qualität, weniger Frust für alle Beteiligten.
  • Kurz-Evaluationen am Schichtende (analog zu „Stop the Line“ in der Industrie): Mitarbeitende benennen in 3 Minuten die größten Störungen und Erfolge des Tages. Ergebnisse werden gesammelt, visualisiert und dienen als Basis für Verbesserungsrunden.
  • Interaktive Boards (digital oder physisch) wie Teamboards als Mess- und Evaluationsinstrumente für Qualität auf Station sind zentrale Anlaufstellen im Stationsalltag, an denen das Team täglich kurz zusammenkommt, um den Status zu besprechen, Kennzahlen zu prüfen und Probleme sichtbar zu machen. Shopfloor-Management endet nicht mit der Erkenntnis der Probleme an interaktiven Boards, sondern bedeutet auch kontinuierliche Verbesserung: Kurzfristig werden Probleme sofort im Team gelöst. Wöchentliche Reviews helfen mittelfristig Ursachen für Probleme sichtbar zu machen und um lessons learned abzuleiten, um langfristig Verbesserungsideen in Projekten oder Pilotversuchen gezielt umzusetzen. 

Shopfloor-Management im Krankenhaus heißt, den Arbeitsplatz auf Station wie eine kleine „Produktionseinheit“ zu führen – aber nicht mit Maschinen, sondern mit Menschen und PatientInnen. Es geht darum, Transparenz zu schaffen, Mitarbeitende einzubeziehen und schnelle Reaktionen auf Abweichungen zu ermöglichen. 

Wenn Rückmeldungen der Mitarbeitenden systematisch erfasst und sichtbar gemacht werden, entsteht eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung:

  • Probleme werden früh erkannt, bevor sie eskalieren.
  • Gute Ideen gelangen schneller in die Umsetzung.
  • Mitarbeitende erleben, dass ihre Stimme zählt – das steigert Motivation und Bindung.
  • PatientInnen profitieren von stabileren, transparenteren Abläufen.

Fazit: Krankenhausstation als lernendes System

Wenn Krankenhäuser ihre Stationen als lernende Systeme begreifen, entsteht mehr als Effizienz: Es entsteht eine Kultur, in der Mitarbeitende aktiv zur Qualitätsverbesserung beitragen – sichtbar, messbar und spürbar für PatientInnen.

phonemail

Für das beste Krankenhaus, das man sein kann.

Sie wollen Ihre Einrichtung oder das Gesundheitswesen weiterentwickeln? Dann freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

Kontakt

+49 (0)621 3008400